Im Refektorium der Kartause Ittingen liessen die Mönche auf dem Täfer ihre Vorbilder darstellen. Eine besondere Stellung nimmt darin Bruder Klaus ein.
Seit Generationen wird Flüeli-Ranft von Menschen aufgesucht, die sich in ihrem Leben von Bruder Klaus leiten und inspirieren lassen wollen. So etwa ein junger Zeitgenosse von Bruder Klaus aus Burgdorf, der ebenfalls Einsiedler werden wollte oder die Schriftstellerin Klara Obermüller, die Dorothee das Hörspiel „Ganz nah und weit weg“ widmete. Auf einen Besuch von Bruder Klaus geht vermutlich auch die Komposition des „Officium St. Nicolai“ von Heinrich von Gundelfingen zurück, das er ein Jahr nach dem Tod von Bruder Klaus komponierte. An diese Besuchstradition knüpft die TonSPUR Flüeli-Ranft an. Das „Officium Sancti Nicolai“ begleitet Lena auf dem Weg in den Ranft musikalisch.
Die Hauptperson der TonSPUR Flüeli-Ranft heisst Lena. Sie sucht sich ihren eigenen Weg im Leben. Entsprechend nimmt sie entgegen der Empfehlung von Dorothee nicht den üblichen bequemen Weg hinunter in den Ranft, sondern wählt einen steilen Pfad hinter dem Hotel Paxmontana.
„O, wie bewundernswert ist die Macht des Retters in den Verdiensten des Bekenners Nikolaus, der bei Gott und den Menschen der Erinnerung würdig, mit den Heiligen schon frohlockt in Herrlichkeit!“
Begleitgesang aus dem Antiphona des Officium Sancti Nicolai
Wie damals beim jungen Mann aus Burgdorf hört Bruder Klaus Lena zu. Bruder Klaus ist ein guter Zuhörer. Er redet nicht viel, fasst das Gesagte zusammen und regt zum Nachdenken an.
„Heiliger Einsiedler Christi, Nikolaus, bitte für uns, wir bitten dich, beim Herrn, damit wir für das Vergangene Verzeihung, für das Zukünftige immer Schutz verdienen.“
Begleitgesang aus dem Responsorium prolixum des Officium Sancti Nicolai
Wie Maria Magdalena Jesus bis ans Grab folgte, so begleitet ihn auch Bruder Klaus im Leid, indem er die Kreuzigung betrachtet. Mit diesem kontemplativen Schauen schafft der Heilige einen Ruhepol in der zerrissenen Welt.
„Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu Dir“ betet Bruder Klaus in der ersten Strophe seines Gebets. Denn wenn Gottes Liebe durch uns wirken soll, darf diese nicht durch menschliche Bedürftigkeit gehindert werden. Liebe schenken und Gegenliebe erwarten – Gottes Liebe kennt keinen solchen Tauschhandel.
„Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich führet zu Dir“ heisst es in der zweiten Strophe des Gebets. Bruder Klaus hört besorgten Menschen zu und berät bei politischen Konflikten, so etwa beim Stanser Verkommnis von 1487. Die Zuwendung zu den Mitmenschen schenkt uns Gott. Um diese Gabe betet Bruder Klaus in der zweiten Strophe des Gebets.
„Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen Dir“. Bruder Klaus spricht in der dritten Strophe des Gebets paradox: Erst wenn Gott mich mir nimmt, kann er bewirken, was ich bin. Mit Gott eins sein bewirkt also auch ein Eins-sein mit mir selber.
Wie konnte Dorothee damit umgehen, dass Bruder Klaus sie und die Kinder verliess und Einsiedler wurde? Bruder Klaus berichtet von drei Gnadengaben Gottes. Eine dieser Gnaden wirkt durch Dorothee. Erst Dorothees Herabsteigen in den inneren Ranft ermöglicht es Bruder Klaus, in den äusseren Ranft hinabzusteigen und Einsiedler zu werden.
„Komm zu Hilfe in bedrängter Lage und bring Hilfe. Dich bitten in allen Lagen die Völker, vor Dich bringen sie bekannte Not.“
Begleitgesang aus der Sequentia des Officium Sancti Nicolai
Wie Bruder Klaus sucht auch Lena ihren Ranft. Sie möchte nicht, dass sich ihr Leben wie ein Stück Holz zufällig zwischen Steinen verkeilt. Doch wie bei Bruder Klaus hängt das Finden des eigenen Ranfts nicht nur von ihr selber ab.
Lena besucht den Ranft, weil sie das Leben selbst gestalten und sich durch die Wallfahrt darin bestärken lassen möchte. Nach anfänglichem Widerstand realisiert sie jedoch, dass die Spiritualität von Dorothee etwas Anderes von ihr verlangt.
Eigentlich suchte Lena im Ranft Klarheit. Doch wie Bruder Klaus und Dorothee ist auch Lena in Beziehungen eingebunden. Für die Gestaltung ihres Lebens ist sie auf Gottes Gnade an ihren nächsten angewiesen.
„Es sind nicht die Nadeln der Tannen, die den Nebel festhalten, es ist die fehlende Wärme, die den Nebel nicht aufsteigen lässt.“ Lena
Lena findet im Ranft keine konkrete Antwort auf ihre praktische Frage, wie sie ihr Leben gestalten soll. Die gefundene Klarheit geht tiefer: Sie unterscheidet nun drei Arten von Freiheit. Das Tun-und-Lassen-können des Gleitschirmfliegers, das Aufsuchen des äusseren Ranfts von Bruder Klaus und die Bildung eines inneren Ranfts bei Dorothee.